"Boot ist noch nicht voll"
Der von der Bundesregierung eingesetzte Asylkoordinator Christian Konrad hat am Dienstag eine aktuelle Einschätzung der Flüchtlingssituation abgegeben: "Das Boot ist noch nicht voll", so Konrad. Bis Jahresende sollen 35.000 neue Quartiere entstehen. "15.000 haben die Länder zugesagt, 20.000 wird der Bund auftreiben", so Konrad wörtlich. Bis zu 85.000 Flüchtlinge könnte Österreich in diesem Jahr unterbringen. Bei der Schaffung neuer Quartiere setzt er auch auf Unterstützung seitens der Katholischen Kirche. Am Donnerstag wird er mit Wiens Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn zusammentreffen. Im gemeinsamen Gespräch sollen weitere Kapazitäten in den Pfarren und Klöstern besprochen werden. Dort sieht Konrad nämlich noch Luft nach oben.
Derzeit leben in Österreich rund 50.000 Flüchtlinge in der Grundversorgung. Bis Jahresende rechnet Konrad mit weiteren rund 35.000 Asylanträgen. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass die zu erwartenden 85.000 Flüchtlinge in diesem Jahr untergebracht werden können. Wie viele Flüchtlinge Österreich letztendlich beherbergen könne, sei schwer einzuschätzen. Das hänge schließlich auch vom privaten Engagement der Menschen ab. Er rechnet künftig mit weiteren Quartierangeboten aus dem privaten Bereich. "Ein Fass ohne Boden" sei Österreich aber auch nicht, machte Konrad klar.
Um entsprechend mehr Quartiere aufzutreiben, sprach sich Konrad angesichts der Notlage dafür aus, dass die Standards bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu überdenken sein. Es könne nicht sein, dass ein Quartier abgelehnt werde, weil es 500 Meter zu weit von der nächsten Busstation entfernt ist. Denkbar seien "Not-Standards" für eine befristete Zeit. Verbessert werden sollen auch die Asylverfahren. Jeder Flüchtlinge habe das Recht darauf, in absehbarer Zeit zu erfahren, ob er nun in Österreich bleiben könne oder nicht. Konrad hofft auf Zeitersparnis durch eine bessere Bearbeitung bereits im Vorfeld der Verfahren. Ein Experten-Team erarbeite zurzeit entsprechende Vorschläge.
Seine erste Aufgabe habe er im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen gesehen. Kein Flüchtlinge sei mehr obdachlos und auch die Zeltlager sollen bald der Geschichte angehören. Wir sind dabei, "diesen Krisenherd zu entschärfen", so Konrad.
Den seit Tagen anhaltenden Flüchtlingsstrom aus Ungarn sieht Konrad als temporäre Herausforderung. Österreich fungiere zurzeit als "Pufferzone" zwischen Ungarn und Deutschland. Alleine in den letzten 24 Stunden seien rund 20.000 Menschen über die Grenze gekommen; die meisten von ihnen wollten aber nach Deutschland weiterreisen, so Konrad. Er hofft nun auf den Willen Deutschlands, die Grenzen verstärkt zu öffnen, "sonst haben wir ein Problem". 3.000 Flüchtlinge hätten in den letzten 24 Stunden von Österreich aus Deutschland erreicht. Laut Aussagen Konrads "zu wenige".
Offiziell beginnt seine ehrenamtliche Tätigkeit erst per 1. Oktober, bereits jetzt habe er jedoch zahlreiche Gespräche mit der Bundesregierung, den Landeshauptmännern, Vertretern der Interessensvertretungen oder NGOs geführt. Er selbst übe nun keine politische Tätigkeit aus, sondern sieht sich als Teil der Zivilgesellschaft. Aufgabe sei es, zu motivieren und Ideen zu entwickeln. Es brauche eine Bereitschaft zu kooperieren, und diese sei "durchaus gegeben", so der frühere Raiffeisen-General. Die Aufgabe sei für ein Jahr vorgesehen.