„Die Stellung Ungarns in der Europäischen Union“
Da wir in wichtigen Fragen in ernsthaften Diskussionen mit Brüssel und mit einigen größeren Mitgliedsstaaten stehen, ist der verlockende Schein entstanden, Ungarn könnte die europäische Politik wesentlich beeinflussen. Dieser Verlockung muss man widerstehen und vor allen anderen Dingen müssen wir unsere Kräfte auf die Verteidigung der nationalen Interessen Ungarns konzentrieren.
Ungarn bzw. die Ungarn, wir sind ein selbstbewusstes, stolzes, aber über eine korrekte Selbstkenntnis und über eine reale Lagebeurteilung verfügendes Volk. Wo wir über eindeutige Ambitionen verfügen, das ist Mitteleuropa und die Visegráder Vier. Es ist die ungarische Ambition, dass Ungarn in einer aus starken, eng miteinander zusammenarbeitenden, einander unterstützenden und ermunternden Ländern bestehenden mitteleuropäischen Region leben können soll. Hier zählt es, hier hat jene Kraft Gewicht, die Ungarn vertritt. Ungarn erkennt Polens bestimmende und führende Rolle im mitteleuropäischen Raum an und möchte auch durch seine eigene Kraft die mitteleuropäischen zwischenstaatlichen Beziehungen in die Richtung der Zusammenarbeit leiten. Es ist weiterhin die Ambition Ungarns, die Mitgliedschaft der auf dem Westbalkan befindlichen Länder in der Europäischen Union zu befördern, besonders und ausdrücklich die Mitgliedschaft Serbiens. Es ist unsere Ambition, die anderen Mitgliedsstaaten davon zu überzeugen, dass die Europäische Union dies benötigt und durch diese fortgesetzte Erweiterung an Ressourcen gelangen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Jetzt möchte ich gerne das Thema Migration ansprechen.
Ungarn und sein Ministerpräsident Viktor Orbán wurde und wird immer noch wegen des im Jahr 2015 aufgestellten Zaunes oft kritisiert. Die Entscheidung war für die Regierung damals weder politisch, noch moralisch einfach. 1989 haben wir in Ungarn den Eisernen Vorhang abgeschnitten und kaum sind 16 Jahre vergangen, beginnen wir an der südlichen Grenze des Landes einen Zaun zu errichten. Ungarn und gerade dem MP Orbán wurde damals ein Mangel an Solidarität vorgeworfen. Geben Sie mir 2 Minuten dieses wichtige Thema der christlichen Solidarität zu erklären.
Viele in Europa haben Solidarität mit der Aufnahme der armen Migranten identifiziert, die einen langen Weg oft mit Kindern auf sich genommen haben nach Europa und die mussten aufgenommen werden. Wir haben eine andere Auffassung der christlichen Solidarität. Zunächst einmal ist für uns maßgebend, dass der Staat verpflichtet ist, das Leben seiner Staatsbürger, die Gemeinschaft und das geistige Erbe der Staatsbürger zu verteidigen. Das heißt wir sind in allererster Linie mit unserem eigenen Staatsbürger solidarisch. Zum Zweiten, zeigen wir Solidarität eher mit denjenigen, vor allem mit den christlichen Gemeinschaften, die vor Ort bleiben und nicht weggehen wollen. Wir haben ein eigenes Programm „Ungarn Hilft“, aber darüber werde ich später noch sprechen. Mit den Flüchtlingen sind wir auch solidarisch, aber mit den wirtschaftlichen Migranten empfehlen wir Freiwilligkeit, ob ein Land, eine Nation, die aufnehmen will oder nicht.
Um die Staatsbürger verteidigen zu können, sind wir davon ausgegangen, dass die Außengrenze verteidigt werden muss, dies ist die Vorbedingung für den freien Verkehr im Inneren. Der Schutz der Grenze ist eine obligatorische Hausaufgabe. Der Grenzschutz ist keine gesamteuropäische, sondern eine nationale Aufgabe, die der Mitgliedsstaaten. Eine europäische Hilfe kann geleistet werden, jedoch ist die Verantwortung national. Wir sehen, wie der zuvor verurteilte ungarische Standpunkt immer mehr akzeptierter wird. Wir erwarten keinen Dank, wir sind nicht daran gewöhnt, und wir werden auch nicht triumphieren. Es verursacht keine Freude, zu sehen, dass manche drei Jahre gebraucht haben, um zu begreifen, was wir bereits im ersten Augenblick verstanden haben.
Und nun komme ich zur Frage der Migration. Da ist sehr wichtig zwischen Flüchtlingen und der wirtschaftlichen Migration zu unterscheiden. Für die Flüchtlinge hat man die Genfer Konvention und jeder, der das Asylrecht verdient hat, muss als Flüchtling aufgenommen werden. Mit den wirtschaftlichen Migranten ist es aber nicht so.
Ist ein Kompromiss in der Debatte um die Migranten möglich? Nein, er ist gar nicht nötig. Manche meinen, jede der diskutierenden Parteien sollte etwas nachgeben, sie sollten sich die Hände reichen und es sollte zu einem Handschlag kommen. Das ist eine falsche Annäherung. Es gibt Fragen, in denen es niemals eine Übereinstimmung geben wird. Es wird sie nicht geben und es ist auch nicht notwendig, dass es sie gibt. Solch eine ist zum Beispiel die der Einwanderung. Wir kennen kein einziges Dokument, in dem stünde: „Wenn Du der Europäischen Union beitrittst, musst Du zu einem Einwanderungsland werden.“ Als wir beitraten, haben wir uns zu nichts dergleichen verpflichtet.
Wahr ist aber auch, dass die grundlegenden Dokumente der Europäischen Union nicht formulieren, dass, wenn sich jemand zu einem Einwanderungsland umformen möchte, dies verboten wäre. Deshalb gibt es in der EU Einwanderungsländer, in denen man die Migranten mit Freude begrüßt, sich mit ihnen vermischen will, sie in sich integrieren möchte. Und es gibt Länder, die keinen Bedarf an Migranten haben, sich nicht mit ihnen vermischen wollen, ergo kann auch ihre Integration nicht in Frage kommen. In solchen Fällen ist nicht ein Kompromiss, sondern Toleranz notwendig. Wir tolerieren, dass einzelne Mitgliedsstaaten in der Schengen Zone Migranten aufnehmen, obwohl dies auch Konsequenzen für uns hat bzw. haben wird, und sie müssen tolerieren, dass wir so etwas nicht tun. Sie sollen uns nicht belehren, sie sollen uns nicht erpressen und sie sollen uns nicht nötigen, sondern sowohl uns als auch den Mitgliedsstaaten den ihnen zustehenden Respekt geben, und dann wird es Friede herrschen. Gerade letzte Woche Montag wurde im Rat der Allgemeinen Angelegenheiten über die Situation in Ungarn diskutiert. Frau Sargentini hat ihren Bericht in dem EP erstattet. Das ganze Verfahren bewerteten wir als Angriff auf Ungarn, was Teil des Wahlkampfs des Europäischen Parlaments seitens der Einwanderungspolitiker ist. In der Debatte geht es immer noch um die Migration.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Auf ähnliche Weise ist über die Frage der Einwanderung hinaus auch in einigen anderen Fragen kein Kompromiss, keine Vereinbarung, sondern Toleranz und Respekt notwendig: Auch hinsichtlich der Auffassung über die Nation, über die Grundprinzipien der Familienpolitik, auf dem Gebiet der Regelung der Ehe und der gesellschaftlichen Integration. Bei uns steht es in unserer Verfassung so: Die Ehe ist eine Sache eines Mannes und einer Frau. Für uns ist Familienpolitik auf die Dauer sehr wichtig, zurzeit gibt die Regierung bereits 5% der GDP alleine für die Unterstützung der Familien aus, damit sie mehrerer Kinder bekommen und erziehen können.
Als nächstes, meine Damen und Herren möchte ich gerne das Thema Ost und West innerhalbe der EU ansprechen.
Ein jeder kann sehen, dass es eine Bruchlinie zwischen Ost und West gibt. Die Kommission vertritt in jenen praktischen Diskussionen, in denen es um die Wettbewerbsfähigkeit geht, ausschließlich die Interessen der westlichen Länder. Wir müssen mitansehen, dass, wenn die Westler über irgendeinen natürlichen, relativen Wettbewerbsvorteil verfügen, wie zum Beispiel hinsichtlich des freien Strömens von Geld und Kapital, dann verteidigt dies Brüssel im Namen des Marktes bis zum Äußersten. Ich bin der Ansicht, dass das auch richtig ist. In den Bereichen aber, in denen die Ostler über eine relativ bessere Wettbewerbsposition verfügen, wie zum Beispiel im Fall der Kosten der Arbeitskräfte und der Dienstleistungen, dort schreien sie gleich „Dumping“ und zwingen uns Korrektionsmaßnahmen auf – und der Markt wird plötzlich nur noch sekundär. Dies kostet uns viel und ist überhaupt nicht fair.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich einig Worte zur Zukunft der EU sagen. Die Europäische Union ist noch reich, ist aber schon schwach. Durch den Brexit wird sie noch schwächer und die äußeren Mitbewerber werden stärker. Wir können kein anderes Ziel haben als eine starke Europäische Union, aber die starke EU erfordert starke Mitgliedsstaaten. Wir sind für ein Europa der Mitgliedsstaaten und nicht für die Vereinigten Staaten Europas. Die individuelle Verantwortung kann man in der Wirtschaft auch weiterhin nicht pulverisieren, man kann sie nicht in einer magischen Vergemeinschaftung auflösen. Das ist die Voraussetzung für ein starkes Europa. Zuerst muss ein jeder in seinem Zuhause für Ordnung sorgen, denn nur ein starker Mitgliedsstaat kann einem anderen zu Hilfe eilen, wenn dieser unverschuldet in Schwierigkeiten geraten ist. Ich möchte einen jeden daran erinnern, dass wir als erste unter den finanziellen Schutzschirm kamen und als erste, noch 2013, die finanzielle Hilfe bis auf den letzten Cent zurückgezahlt haben.
Die Zukunft der Europäischen Union hängt davon ab, ob sie in der Lage sein wird, ihre Außengrenzen zu schützen. Dies ist die nächste Frage der Zukunft der EU. Wenn wir unsere Grenzen verteidigen, dann verliert die Debatte über die Verteilung der Migranten ihren Sinn, denn jene können nicht hereinkommen. Wenn sie nicht hereinkommen können, gibt es niemanden zu verteilen.
Und wenn wir so vorgehen, dann bleibt nur noch die Frage, was mit jenen geschehen soll, die bisher hereingekommen sind. Unsere Antwort hierauf lautet, dass man jene nicht verteilen, sondern nach Hause bringen muss.
Und zum Schluss und damit komme ich langsam zum Ende meines Vortrages, meine sehr geehrten Damen und Herren, warum engagiert sich Viktor Orbán für ein Christliches Europa?
Wenn wir über die Möglichkeit der Renaissance der Christdemokraten, der Christdemokratie sprechen, dann ist für mich der Gedanke bestimmend, den einst die Deutschen um 1945 in einer Rundfunkbotschaft aus Amerika erhielten und die folgendermaßen lautet: „Das Christentum ist der Hintergrund, vor dem jeder unserer Gedanken einen Sinn gewinnt. Es muss nicht jeder Europäer an die Richtigkeit der christlichen Religion glauben, doch ganz gleich was er sagt, herstellt, tut, das alles erhält seine Bedeutung aus dem christlichen Erbe.”
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die liberale Ordnung stürzt nicht deshalb in sich zusammen, weil es sich herausgestellt hat, dass sie ihre Ideale nicht am Leben, nicht auf der Wirklichkeit, nicht auf der Geschichte aufbaut, sondern auf artifizielle Konstruktionen, in denen die für das Leben der europäischen Menschen seit zwei tausend Jahren formenden und bestimmenden Begriffe von Glaube, Nation, Gemeinschaft, Familie einfach kein Platz mehr ist.
Zum Abschluss muss ich vielleicht noch die Frage beantworten, was Ungarn für die gemeinsame europäische Politik anbieten kann? Zunächst einmal können wir auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Reformen ein gutes Beispiel zeigen. Dann können wir beim Heimtransport der Migranten Hilfe leisten, wenn es notwendig ist; wir sagen schon seit Langem: Wir sollten die Hilfe exportieren und nicht die Probleme importieren. Ungarn hat sich entschieden, anstatt die Sorgen nach Europa zu bringen, vor Ort zu helfen, wir denken, die Hilfe muss dorthin gebracht werden, wo sie gebraucht wird. Und hier können wir auch ein Beispiel zeigen. Die ungarische Regierung hat in 2017 das „Hungary Helps“ Rahmenprogramm gestartet, das die Rolle und Hilfe Ungarns in Fragen der Weltmigration organisiert. Es wurde im Amt des Ministerpräsidenten ein Staatsekretariat für die Unterstützung der verfolgten Christen und die Umsetzung des ungarischen Hilfsprogramms gegründet. Aggressive Angriffe und Terrorakte aus religiösen Gründen gefährden in den letzten Jahren die historischen und religiösen Traditionen der Welt und somit auch Ungarns. Wir haben die Bedrohung der christlichen Kultur erkannt und halten es daher für wichtig, die in der Welt lebenden christlichen Gemeinschaften zu schützen und die in diesen Gemeinschaften lebenden Familien zu unterstützen. Im Rahmen der „Ungarn hilft“ Initiative wurden schon zahlreiche Projekte initiiert. Wir organisieren jedes Jahr eine internationale Konsultation zur Situation verfolgter Christen in Budapest, an der Experten des Themas und Leiter und Vertreter der betroffenen Kirchen teilnehmen. Wir haben ein spezielles Stipendienprogramm für Jugendliche aus verfolgten und diskriminierten christlichen Gemeinschaften gestartet, für das Schuljahr 2017/18 haben 87 Jugendliche aus Nigeria, Egypt Libanon, Syrien, Irak, Pakistan und Israel ein Stipendium gewonnen. In der Nähe von Mossul wurden bereits 200 zerstörte Häuser wiederaufgebaut, in Erbil wurde eine neue Schule errichtet und Krankenhäuser mit Medikamenten versorgt. Jeweils eine Million Euro Soforthilfe für humanitäre Hilfe gingen an die katholische sowie die syrisch-orthodoxe Kirche, es wurden unter Anderem Flüchtlingscamps in Jordanien, im Libanon und der Türkei unterstützt. Wir denken, jeder Pfennig ist dort viel mehr wert, als bei uns. Umso besser freue ich mich über die Spendenaktion der AKV für die verfolgten Christen im Nahen Osten zu hören. In rund 80 Ländern der Welt werden etwa 200 Millionen Christen wegen ihres Glaubens verfolgt, von den 5 Personen, die wegen ihrer Religion diskriminiert werden, sind 4 Christen. Wir denken, dass das Christentum Europas letzte Hoffnung ist. Mit der Massen-Einwanderung, hauptsächlich aus Afrika, könnten unsere schlimmsten Albträume wahr werden. Der Westen wird fallen, während Europa nicht einmal bemerkt, dass es überrannt wird.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!