Es ist kein Trostbuch, "das uns vormachen will, alles sei nicht so schlimm" meint Sedmak. Es ist auch kein Rezeptbuch, das ein Programm zum guten Leben in wenigen Schritten verspricht. "Billiger Optimismus wäre blind, naiv und vorschnell". Ihm geht es um eine Hoffnung, die mit Leben gefüllt ist: "Die Hoffnung, die wir brauchen, ist wie ein Gemeinschaftsgarten, zu dem alle beitragen können, von dem aber auch alle ernten können." Kardinal Christoph Schönborn hat gemeint, dass die Corona-Krise das Angesicht der Erde verändern wird und es zu einem Umdenken in Wirtschaftsfragen und beim eigenen Lebensstil kommen wird. Das ist sehr wohl zu wünschen, aber vorerst geht es wohl den meisten Menschen darum, dass sich ihre persönliche Lebenssituation nicht verschlechtert und sie ihr „altes Leben“ wieder zurückgewinnen. Die Krisenromantik wie sie auch in manchen kirchlichen Kreisen spürbar war, ist jedenfalls fehl am Platz. Die nächsten Monate werden mühsam und herausfordernd werden.
Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak hat jüngst in einem Furche-Artikel der Theologie angesichts der Corona-Pandemie weitreichende Sprachlosigkeit attestiert. Zwar würde im Zusammenhang mit Corona nicht selten die Frage nach Gott und dem Leiden gestellt (Theodizeefrage) oder - wie zuletzt durch die österreichischen Bischöfe - die Dankbarkeit angesichts der erfolgreichen Eindämmung der Pandemie ins Zentrum gerückt; eine tatsächliche "theologische Situationsanalyse" sei jedoch ausgeblieben. "Die Frage nach Gott gehört ins Zentrum der Pastoral. Das Erinnern an die Wirklichkeit Gottes und der Schutz der Transzendenz des Menschen sind eine öffentliche Aufgabe der Kirche." Andernfalls verwandle sich die Kirche "in ein rituelles Museum für ein Kultur-Christentum ohne spirituelle und gesellschaftsmitgestaltende Kraft", warnt die Theologin.
Ähnlich sieht der Passauer Bischof Stefan Oster die Situation. Er fürchtet, dass die katholische Kirche in Anpassung an die moderne Gesellschaft ihren "inneren Kern" und ihre religiöse Identität verliert. Es brauche eine Rückbesinnung auf zentrale Glaubensinhalte und auf den "unveränderlichen Kern des christlichen Menschenbildes", (Juli-Ausgabe der Zeitschrift "Herder Korrespondenz"). Der Bischof fragt, ob hinter Diskussionen um Zölibat, Weihe von Frauen oder Sexualmoral nicht der Wunsch stehe, die kirchlichen Lehren an die moderne Gesellschaft anzupassen. Oster meint, dies sei der falsche Weg, entscheidend sei "eine Sammlung nach innen und eine Stärkung erneuerter christlicher Identität". Der Kirche, solle es nicht um gesellschaftliche Relevanz gehen, sondern um "Heilsrelevanz".
Die Diskussion um Identität, Selbstverständnis und die pastorale Praxis in der Kirche wird auch in der „Nach-Corona-Zeit“ weitergehen.
Mag. Helmut Kukacka
AKV Präsident