AKV-Symposium - Mitterlehner: "Laudato si' ist politischste Enzyklika seit langem!"
Das menschliche Wohlbefinden ist mehr als die Befriedigung von materiellen Bedürfnissen und fordert eine "Umkehr und Änderung" des Lebensstils, die nicht den Konsum ins Zentrum des menschlichen Daseins stellt. Das betonte der Kärntner Bischof Alois Schwarz bei einem Symposium der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände (AKV) in Kooperation mit dem Dr.-Karl-Kummer Institut am Dienstagabend in Wien.
An der Tagung mit dem Titel "Die globale Wirtschaft braucht einen Kompass! Geben die katholische Soziallehre und 'Laudato si' die richtigen Antworten?" nahmen auch der österreichische Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der ehemalige Vizekanzler Josef Riegler, der Wirtschaftsexperte und "Furche"-Mitherausgeber Wilfried Stadler sowie Margit Appel von der Katholischen Sozialakademie (ksoe) teil.
Bischof Schwarz verdeutlichte in seiner Rede den holistischen Charakter von "Laudato si": Der Papst sehe nicht eine Reihe von einzelnen Problemen, sondern fasse alle in einem Gedankenkonstrukt zusammen. Ebenfalls bemerkenswert sei es, dass Franziskus immer von sich in der ersten Person spreche. "Das ist einmalig in der Geschichte von päpstlichen Enzykliken" und verdeutliche, wie wichtig ihm selbst die Thematik ist, so Schwarz. "Der Papst wendet sich an alle Menschen guten Willens und will mit allen ins Gespräch kommen." Er forciere den Dialog mit der Welt, der Politik und den Menschen. Das sehe man alleine daran, wie oft er beispielsweise auf Schreiben der Vereinten Nationen oder etwa auch auf den ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. Bezug nimmt.
Für Vizekanzler Mitterlehner ist "Laudato si" die "politischste Enzyklika seit langem". Insbesondere mit der Veröffentlichung vor der Pariser Klimakonferenz sei dem Papst ein regelrechter "politischer Coup" gelungen, zeigte sich Mitterlehner überzeugt. Darüber hinaus beinhalte das Schreiben sehr lebensnahe Fragestellungen, die viele Menschen zum Nachdenken anregen. Für ihn ist "Laudato si" in erster Linie eine Einladung zum "Diskurs mit klarer Orientierung" und eine "wunderbare Aufforderung, nicht in bisherigen Mustern weiterzumachen". Der Mensch müsse immer im Mittelpunkt stehen, daran erinnere die Enzyklika auf eindrückliche Weise, so Mitterlehner.
Der ehemalige Vizekanzler Josef Riegler betonte die große Wichtigkeit der katholischen Soziallehre besonders in der heutigen Zeit. Die Pfeiler der Soziallehre wie Menschenwürde, Gemeinwohl oder Schöpfungsverantwortung seien heute "aktuell wie nie zuvor" und könnten den Kompass bieten, den die globale Wirtschaft heute so dringend benötige, so Riegler.
Für ksoe-Expertin Margit Appel soll die Kritik in den Papstschreiben "Laudato si" und "Evangelii Gaudium" "wehtun". Franziskus kritisiere die Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Dieser Problematik seien die Menschen in der westlichen Welt besonders ausgesetzt. Der Mensch würde nur noch nach seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit beurteilt. "Wenn er nichts mehr leisten kann, wird er auch für die Gesellschaft uninteressant", so Appel. Wirtschaft müsse ein Mittel für Humanität sein. Dass dies kein naiver Wunsch, sondern "realistische Utopie" sei, würden die Papstschreiben auf beeindruckende Weise verdeutlichen, so Appel.
"Ich vermisse das Anführen von positiven Beispielen in den beiden Papst-Enzykliken", befand Wirtschaftsexperte Wilfried Stadler. Insbesondere die europäische Marktwirtschaft habe gezeigt, was sie für die Entwicklung der Demokratie leisten kann. Der Papst lasse diese "gelungenen Modelle" aber aus, was sehr schade sei. Nichtsdestotrotz seien die Papstenzykliken ein wichtiger Beitrag, der aufrüttle, so Stadler.
AKV-Präsident Helmut Kukacka bezeichnete die Thematik in seiner Begrüßung als "dringlich und wichtig". Die aktuelle Enzyklika des Papstes verdeutliche eindrücklich, dass Umwelt- und Humanökologie untrennbar miteinander verbunden seien, so Kukacka.